Worpswede. Ganz verlassen hat ihn der Blues nicht, aber Ian Parker hat sich musikalisch entschieden umorientiert. Der Sänger und Gitarrist aus Birmingham präsentiert sich in der Music Hall vor allem als Singer/Songwriter mit nachdenklichen eigenen Songs und einer Hommage an den ungekrönten König dieses Genres, Bob Dylan. Eingeladen zum Auftakt der neuen Konzertsaison hatte ihn Steve Westaway, der, wie zu diesem Anlass seit einigen Jahren üblich, den Abend eröffnet.
Gemeinsam mit Gitarrist Nob Wesch und Percussionist Ulli Neels, die sonst gemeinsam bei der Band Hands‘n‘Woods aktiv sind, spielt Westaway ein Dutzend seiner Songs, die teilweise noch unveröffentlicht sind. In die ruhigen Akustik-Arrangements passt sich mit dem coutryesken "Lay your hand" auch eine Komposition Wesch‘ nahtlos ein. Neben dem frühen "Tears gonna flow" hat Westaway mit "Blowing my blues away" und vor allem "Summer‘s fading song" zwei vielversprechende neue Lieder im Programm. Nach einer guten Stunde überlässt der Gastgeber dann Ian Parker die Bühne, der mit einem überzeugenden Auftritt auslotet, wie viel Variantenreichtum in der weithin bekannten Konstellation "Ein Mann und eine Gitarre" stecken kann.
Die akustische Gitarre, die auch mal gegen eine Dobro ausgetauscht wird, steht im Mittelpunkt. So sind Anknüpfungspunkte an die Tradition großer Troubadoure beinahe zwangsläufig. Parker, der seine Karriere als Blueser begann und sich später immer mehr dem Rock zuwandte, ist nun beim Folk gelandet. Den aber interpretiert er unkonventionell und mitunter dann doch wieder mit der Attitüde eines Rockmusikers. Schnell und dynamisch sind einige Songs, dunkel und depressiv sind – seiner eigenen Einschätzung nach – andere, fröhlich nur wenige.
Durch den Wechsel der Instrumente und der Gitarrensounds sowie durch eine kleine Loop-Maschine, die er per Fuß steuert, und die es ihm ermöglicht, seine eigene Playbacks live zu kreieren und abzuspielen, kann Parker eine Fülle an Klangvarianten anbieten. Mit minimaler Technik kann er komplette Bandarrangements aufbauen, an die sonst schnell erreichten Grenzen der Ausdrucksmöglichkeiten eines Solo-Auftritts kommt er nie. Dazu trägt auch bei, dass er ein guter Geschichtenerzähler ist, der die Stücke sympathisch und humorvoll einführt.
Greift er zur Dobro, ist er doch wieder beim Blues, aber der größere Einfluss ist mittlerweile ganz eindeutig Dylan, den Ian Parker "Uncle Bob" nennt. Ihm huldigt er mit gleich drei Coverversionen am Stück. Seine Interpretationen von "All along the watchtower", "Love sick" und "I shall be released" sind superb, und auch das Ende seines Sets mit Leonard Cohens "Hallelujah", bei dem die wohl ultimative Fassung von Jeff Buckley Ausgangspunkt für Parkers Version ist, ist ein Höhepunkt eines hervorragenden Auftritts.
Statt einer eigenen Zugabe gibt es zum Abschluss einen gemeinsamen Jam aller vier Musiker, die in zwei überlangen Blues-Improvisationen allesamt auch als Solisten reüssieren. Ian Parker hat eigens dafür auch eine E-Gitarre dabei und liefert sich schöne Solo-Duelle mit Nob Wesch. Neels zeigt, was sich alles aus einer Cajon herausholen lässt, und Westaway hält, wie bei seinen regelmäßigen Sessions, die Fäden in der Hand. Ein schöner Auftakt für einen hoffentlich ähnlich gelungenen Konzertherbst.